Daniel lernte ich 2006 im Graffiti kennen, der Kneipe, die sich bald zum Zentrum der Berliner Backgammon- Szene entwickeln sollte. Eingebettet in blaugrauen Nikotindunst brütete man hier über Stellungen, berechnete Wahrscheinlichkeiten und spielte, spielte, spielte bis in die frühen Morgenstunden. Bald las ich mehr Bücher über Backgammon als für die Uni und verbrachte mehr Abende mit Daniel als mit meiner Freundin.
Kurz nachdem Daniels Auto das letzte Abgaswölkchen ausgehaucht hatte, ergab sich für Ihn die Gelegenheit, eine Wohnung auf der Roten Insel, direkt hinter dem Graffiti zu beziehen. Wenige Wochen später suchte auch ich mir ein paar Häuser weiter eine neue Bleibe. Damit war das Graffiti endgültig zu unserem gemeinsamen Wohnzimmer geworden.
Viele Gesichter sind seitdem zu dem illustren Kreis hinzugestoßen oder haben ihn verlassen. Aber Daniel war stets der Anker, auf den man sich verlassen konnte. Wir haben uns nie verabreden müssen. Daniel war einfach immer da.
Daniel war im Backgammon mein bester Lehrer und mein bester Schüler. Er hat mir mit Streichhölzern das Pokern beigebracht und mir auch sonst viele wertvolle Denkanstöße für meinen weiteren Lebensweg gegeben.
2010 wird Daniel Berliner Meister im Backgammon. Es ist gleichzeitig mein letztes Jahr als Veranstalter des Turniers. Ich hätte mir keinen schöneren Abschluss wünschen können, als dem guten Freund den wohlverdienten Pokal für die meisten Siege in 10 Turnieren zu überreichen. Ein Highlight für uns beide.
2011 sollte noch ein Highlight folgen: Daniel und ich sind zur ersten Deutschen Online Meisterschaft geladen. Das Feld schrumpft schon vor dem Start des Turniers auf 16 Spieler, weil viele ein Turnier ohne Preisgeld ablehnen. Ganz anders Daniel: Mit viel Biss und Geschick kämpft er sich ins Finale und trifft dort auf – clowneske Fügung des Schicksals – mich.
Wir stellen also im Graffiti unsere Laptops Rücken an Rücken auf und können uns beim finalen Showdown der Deutschen Online Meisterschaft in die Augen sehen, obwohl die Züge von einem Computer in Malta abgehandelt werden und die Zuschauer in Freiburg, Wiesbaden und Bremen sitzen.
Nach dem Match verrät die Computeranalyse, dass Daniel viel besser gespielt hat, ihm nur halb so viele Fehler unterlaufen sind wie mir. Aber sein gutes Spiel kann mein Glück nicht ausgleichen, sodass der Titel trotzdem auf mein Konto geht.
Für Daniel scheint das jedoch nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen. Wir sind beide dankbar für die aufregende Begegnung.
Daniel war das verbindende Element im Berliner Backgammon. Er war der Moderator, der es immer irgendwie geschafft hat, all die unterschiedlichen Charaktere zusammenzubringen. Er war das Zentrum der „Berliner Backgammon Bohème“ – an den neonfarbenen Schriftzug auf seinem Lieblingspullover werden sich vielleicht einige erinnern.
Als Leiter der Berliner Meisterschaft hat Daniel viele gute Ideen gehabt und umgesetzt. Seine Turnierberichte mit Überlänge sind legendär. Er hat sich für Neu- und Wiedereinsteiger eingesetzt und ihnen ein eigenes Turnier an einem neuen Spielort eingerichtet.
Ich habe mich im Dezember von Daniel verabschiedet, weil für mich ein neuer Lebensabschnitt in Hamburg begonnen hat. Es ist unglaublich traurig, dass es der endgültige Abschied war. Nun fehlt der Anker. Niemand, auf den man sich verlassen kann. Daniel ist einfach nicht mehr da.
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