Obwohl es in der Backgammon Welt ja durchaus üblich ist, dass Autoren nur bis 1 zählen können (so gibt es z.B. von „The Backgammon Encyclopedia“ von Kit Woolsey und „Der Verdopplungswürfel im Backgammon“ von Jeff Ward jeweils nur einen ersten Band), soll dieser Artikel eine Ausnahme darstellen. Der I wird eine II folgen! (Das haben sie alle geglaubt 😀 !)
Der erste Teil soll eine Einführung in das Chouette Spiel sein. Dabei werde ich stur die Regeln vorstellen, wie sie in meiner Chouette praktiziert werden und die ich gut und fair finde. Im zweiten Teil soll es darum gehen Variationen vorzustellen. Bevor man sich einer Chouette anschließt, sollte man sich sehr genau informieren, nach welchen Regeln gespielt wird. Die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt.
Voraussetzungen
Dieser Artikel setzt voraus, dass die Backgammon Regeln, wie sie i.d.R. im Money Game (bei dem nicht wie im Match bis zu einer festen Punktzahl gespielt wird) praktiziert werden, bekannt sind. Insbesondere ein Grundverständnis für die Handhabung des Dopplerwürfels sollte vorhanden sein. Wenn nicht anders vereinbart, gilt in der Chouette die Jacoby Rule, d.h. ein Gammon wird nur als solcher gewertet, wenn bereits ein Würfel gegeben wurde.
Terminologie
Dass Chouette eine Backgammon Variante für mehr als zwei Personen ist, hat sich ja vielleicht schon herumgesprochen. Es spielt dabei immer ein Einzelspieler (Box) gegen eine Gruppe von Gegnern (Team), die wiederum von einem Spieler angeführt wird (Captain). Am Brett sitzen sich Box und Captain gegenüber, würfeln und ziehen die Steine.
Verdopplung
Alle Mitglieder des Teams, also auch die, die vorläufig nicht aktiv in das Würfelgeschehen eingreifen können, haben Zugriff auf einen eigenen Verdopplungswürfel, den sie nach ihrem Gusto einsetzen dürfen. Wenn also das Team am Zug ist, kann jedes Teammitglied den Captain bitten nicht zu würfeln. Stattdessen doppelt das Teammitglied die Box. Die Box sollte nun auch den übrigen Spielern einen Moment Zeit geben, nachzudenken, ob sie ebenfalls doppeln wollen. Haben sich alle Spieler des Teams entschieden (egal ob für oder gegen die Verdopplung), entscheidet die Box über Take oder Pass. Dabei kann sie nur entweder alle Würfel annehmen oder ablehnen. Selektiv zu taken ist nicht erlaubt.
Die Box wettet also gegen jeden einzelnen Spieler des Teams und spielt damit um ein Vielfaches des Grundeinsatzes. Natürlich kann die Box auch selbst doppeln. Dazu gibt sie allen Spielern jeweils den Würfel. Wieder gilt, dass die Box nicht selektiv doppeln darf. Allerdings kann es vorkommen, dass die Box einen Würfel zurückdoppelt, der nicht von allen Spielern des Teams gegeben wurde. In diesem Fall kann die Box natürlich nur die Doppler geben, auf die sie Zugriff hat.
Beratung
Der Captain darf von den Teammitgliedern beraten werden. Das Beratungsrecht haben die Spieler aber nicht ab Beginn jeder Partie. Erst wenn der Verdopplungswürfel eines Spielers die Ausgangsposition verlassen hat, der Spieler also gedoppelt hat oder von der Box gedoppelt wurde, darf er sich äußern und Zugvorschläge machen.
Sollten im Team Unstimmigkeiten über einen Zug auftreten, empfiehlt es sich demokratisch vorzugehen. Entweder indem man den von der Mehrheit bevorzugten Zug ausführt oder den Spielern vertraut, die mit höherem Einsatz im Spiel sind (z.B. weil sie einen Würfel der Box gebeaver haben). Das letzte Wort hat jedoch immer der Captain. D.h. selbst wenn das komplette Team hinter einem bestimmten Zug steht, hat der Captain das Recht einen anderen Zug zu spielen. Womit er sich allerdings nicht gerade beliebt macht.
Sollte ein Teamspieler, dessen Würfel noch in der Mitte liegt, einen unzweideutigen Kommentar zu einem noch nicht vollendeten Zug machen, hat die Box das Recht den Würfel dieses Spielers auf ihre Seite zu nehmen. Der Spieler vergibt also durch verfrühte Beratung sein Recht zu doppeln. Hier können viele Grenzfälle auftreten, z.B. wenn ein Spieler durch seine Mimik eine Einschätzung des Zuges gibt. Fairness und Feingefühl sind gefragt.
Über Dopplerentscheidungen darf nicht beraten werden. Natürlich können die Teamspieler das jeweilige Dopplerverhalten der Kollegen sehen und sich daran orientieren. Ein argumentativer Austausch soll jedoch nicht stattfinden. Sollten zwei oder mehrere Spieler darauf bestehen als letzte ihre Entscheidung zu verkünden, müssen sie in der Reihenfolge in der sie notiert sind ihre Aussage machen. Also erst der Captain, dann der erste Nachrücker usw.
Rotation
Zu Beginn einer Chouette Sitzung werden die Positionen der Spieler ausgewürfelt. Der Spieler mit der höchsten Zahl ist Box, der mit der zweithöchsten Captain. Danach schließen sich erster, zweiter, dritter usw. Nachrücker an. Spieler, die später zu der Chouette hinzustoßen, müssen sich hintenanstellen, d.h. sie nehmen den letzten Nachrückerplatz ein.
Für die Rotation der Spieler ist nur von Bedeutung, ob der Captain gewonnen hat. Wenn der Captain verliert, behält die Box ihren Platz, der erste Nachrücker wird Captain und der alte Captain kommt ans untere Ende der Liste. Im Falle, dass der Captain gewinnt, wird er zur neuen Box. Die Box kommt auf den letzten Platz im Team und der erste Nachrücker wird Captain.
Übernahme
Es kommt nicht selten vor, dass die Box das Team doppelt, der Captain ablehnt, aber einige andere Spieler des Teams den Würfel akzeptieren. Derjenige, der von denen, die den Würfel angenommen haben in der Liste der Nachrücker am höchsten steht, wird dadurch provisorisch für den Rest dieser Partie Captain. Der ursprüngliche Captain hat in jedem Fall seinen Posten verloren und die Box bleibt auch im nächsten Spiel Box, selbst wenn sie gegen den provisorischen Captain verliert. Der provisorische Captain kann nicht durch einen Sieg den Platz der Box ergattern.
Vertreter
Ein Vorteil der Chouette ist, dass man problemlos mal für ein paar Minuten das Brett verlassen kann. Der Captain wirds schon richten. Ärgerlich ist nur, wenn genau in dieser Zeit eine Dopplerentscheidung anfällt. Um zu vermeiden, dass entweder die ganze Chouette warten muss bis der Rückkehrer seinen Würfel dropt oder die Box sich die Finger reibt, weil wenigstens ein Spieler den Würfel zwanzig Züge zu spät gibt, sollte man sich, sobald man eine Pause einlegt, einen Spieler des Vertrauens als Vertreter erwählen. Dieser ist sinnvollerweise Teil des Teams. Die Aufgabe des Vertreters ist es, den Würfel des abwesenden Spielers zu verwalten. D.h. zu doppeln, wenn er selbst doppelt, zu passen, wenn er selbst passt usw. Wenn von einem Spieler nicht explizit ein Vertreter gewählt wurde, übernimmt der Captain diese Rolle.
Notation
Der Punktestand wird in Tabellenform notiert. Jedem Spieler werden die Verluste negativ und die Gewinne positiv berechnet. Damit muss in jeder Zeile die Summe Null sein (gut zur Kontrolle). Der Punktestand desjenigen Spielers, der aktuell am Brett das Spiel verloren hat (Box oder Captain), erhält eine Markierung (Unterstreichung, Kringel o.ä.). Damit ist angezeigt, dass er nun in der Liste der Nachrücker der letzte ist. Die Reihenfolge der Nachrücker läßt sich immer anhand der Markierungen erschließen. Der Spieler des Teams, dessen Markierung am weitesten oben in der Liste ist, wird in der nächsten Partie Captain.
Auch wenn nur ein Spieler über den Punktestand Buch führt, sollten die übrigen Teilnehmer von Zeit zu Zeit einen Kontrollblick auf die Liste werfen. Zu leicht schleicht sich ein Flüchtigkeitsfehler ein.
Zugelassen für …
… 3-5 Teilnehmer im Alter von 8-88 Jahren. Mit mehr als fünf Teilnehmern sinkt der Spaßfaktor rapide ab. Es dauert einfach zu lange bis man nach einem verlorenen Spiel wieder am Brett sitzt.
Außerdem spielt die Box bei fünf Teilnehmern bereits um den vierfachen Einsatz. Und die Box braucht einen ‚Chouhattrick‘ um dabei Plus zu machen: Ein Spiel gewinnen um in die Box zu kommen, ein Spiel in der Box gewinnen um einen Puffer aufzubauen und ein Spiel gewinnen um Punkte zu machen. Erst das vierte Spiel darf wieder verloren werden. Dann ist der Puffer weg, aber die Punkte aus dem dritten Spiel der Gewinnserie noch vorhanden.
Wenn man in einer größeren Runde Chouette spielen möchte, empfehle ich das Doppelbox System (wie das geht, folgt im zweiten Teil). Man kann mit sechs Leuten aber natürlich auch schon zwei Tische eröffnen.
Tipp
Die Chouette eignet sich auch besonders gut um unterm Weihnachtsbaum um die Geschenke zu spielen 😉 . Allen Lesern ein geruhsames Weihnachtsfest und wie der Berliner zu sagen pflegt: „einen juten Rutsch und ein jesundet Neuet!“
Sag mal, Thomas, nennt ihr die Abwesenheitsvertreter echt Proxy (anstatt Vertreter)? Man muss zwar nicht alle Begriffe im Backgammon „germanisieren“, aber wenn es einen passenden deutschen Begriff gibt, nehm ich doch einfach den. Vertreter 😉
Hardy 🙂
Bei uns heißt der Proxy „Verwaltest du mal kurz meinen Würfel!?“ 😉 Für mich als Informatiker ist „Proxy“ schon ein deutsches Wort 🙂 Man könnte also besser „Vertreter“ oder „Verwalter“ sagen. Danke für den Hinweis! Eigentlich könnte man ja auch „Kapitän“ sagen. Nur wie heißen dann Box und Team?
Mannschaft und Kiste. :p
Zu klären wäre im Zweifelsfall, ob die Verwaltung bedeutet, dass der Abwesende immer identisch mit dem Verwalter entscheidet oder da je nach Spieler variiert wird. Bei unserer Runde gibt es nämlich Spieler, die prinzipiell ähnlich denken und Spieler, die ganz anders strukturiert sind. Es gibt z.B. Spieler, die würden meine Takes oft nicht mitgehen, und andere, die häufig den Kopf schütteln über meine Würfel. Da treffe ich für den Abwesenden schon mal andere Entscheidungen als ich sie für mich selbst treffe.
Da wir uns schon gut kennen, suche ich mir, wenn ich weg bin, den Spieler aus, der am ehesten so „cubt“ wie ich (z.B. Thomas :-)).
Sich den Captain als Vertreter auszusuchen, könnte problematisch werden (deshalb ist der Vertreter sinnvollerweise Teil des Teams), da der Captain ja manchmal Captain’s Takes macht um in die Box zu kommen.
Daniel